Körperbilder und Body Positivity in den sozialen Medien

Dr.in Paula Stehr LMU München, akademische Rätin a. Z.

Linn Julia Temman Universität Bielefeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Annemarie Wiedicke Universität Bielefeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Flacher Bauch, lange Beine, makellose Haut: Menschen zeigen sich in sozialen Medien zumeist von ihrer besten Seite. Digitale Hilfsmittel wie Beauty-Filter, Facetune und Photoshop tragen dazu bei, dass es oft große Unterschiede zwischen den Bildern in den sozialen Medien und den Personen außerhalb der medialen Welt gibt.

Einfluss von sozialen Medien auf das Körperbild

Diesen idealisierten Bildern im Alltag ausgesetzt zu sein, geht an den Nutzer*innen nicht spurlos vorüber. Verglichen mit den Idealbildern in sozialen Medien schneidet man selbst vor dem heimischen Badezimmerspiegel naturgemäß eher schlecht ab. Das Körperbild kann einen Knick bekommen, man achtet vermehrt auf das optische Erscheinungsbild anstatt darauf, wie der Körper sich anfühlt oder was er leisten kann (Forscher*innen sprechen auch von „Selbst-Objektifizierung“1). Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass sich das Vergleichen mit idealisierten Medienbildern auf Instagram negativ auf die Stimmung und das eigene Körperbild auswirken kann – und zwar unabhängig davon, ob es sich um idealisierte Bilder von Prominenten oder unseren Freund*innen handelt.2

Ursprünge und Ziele der Body Positivity-Bewegung

Diesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, ist das Ziel von Body Positivity-Aktivist*innen. Sie wollen gängige Schönheitsideale infrage stellen, um ein positives Körperbild für alle zu fördern: zum Beispiel für Mütter, mehrgewichtige Menschen, Schwarze Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen, deren Körper nicht in eine binäre Vorstellung von Geschlecht passen. Die Ursprünge von Body Positivity liegen in der Fat-Acceptance-Bewegung der 1960er Jahre, die sich gegen gewichtsbasierte Diskriminierung stark machte: Nicht das vermeintliche “Übergewicht” selbst sollte als Gesundheitsrisiko betrachtet werden, sondern das Stigma und die Ausgrenzungserfahrungen, denen Menschen nachweislich aufgrund ihres Körpergewichts ausgesetzt sind. (Anmerkung: Wir verwenden in diesem Beitrag statt „Übergewicht“ die Begriffe „Mehrgewicht“ und „mehrgewichtig“, da diese als weniger wertend wahrgenommen werden.)

Heute ist Body Positivity vor allem in sozialen Medien wie Instagram präsent, klassischerweise mit unretuschierten Bildern von Bauchrollen, Körperbehaarung oder Dehnungsstreifen. Dabei sind die diskutierten Themen durchaus vielfältig: Von Mode über mentale Gesundheit und Sexualität bis hin zu Kritik an der Diätkultur und Diskriminierungserfahrungen3.

Eine zentrale Rolle in der Kommunikation unter dem #bodypositivity nehmen sogenannte Influencer*innen ein, die ihre Beiträge mit einer großen Anzahl an Nutzenden („Follower*innen“) teilen.

Auch diese verbinden mit Body Positivity unterschiedliche Themen4: Ein zentraler Aspekt auf individueller Ebene ist „Selbstliebe“, was auch häufig als deutscher Hashtag genutzt wird. Daneben verbinden sie mit Body Positivity aber auch eine gesellschaftliche Dimension, die sich mit Veränderungen hin zur Akzeptanz körperbezogener Unterschiede und Antidiskriminierung beschäftigt.

Chancen und Risiken von Body Positivity für die Gesundheitsförderung

Körper unterliegen normativen Vorstellungen: Beispielsweise repräsentieren sportliche, durchtrainierte Körper Ideale und Fähigkeiten, die weit über das eigentliche Sporttreiben hinausgehen, während mehrgewichtige Körper häufig mit negativen Eigenschaften assoziiert werden5. Die Body Positivity-Bewegung kann an dieser Stelle ein Puzzle-Teil hin zur Veränderung entsprechender Normen sein und Stigmata abbauen, die mit bestimmten Körperbildern verknüpft sind. Gleichermaßen bietet sich dadurch eine Plattform, um sich gegenseitig im Umgang mit Diskriminierungserfahrungen zu unterstützen. Darüber hinaus sehen sich einige Influencer*innen auch als Vorbilder für eine gesunde Lebensweise und haben in ihrer Meinungsführer*innen-Rolle6 potenziell großen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten ihrer Follower*innen.

Kritisiert wird an der Body Positivity-Bewegung, dass auch hier vor allem normschöne (schlanke, leistungsfähige, weiße) Körper im Mittelpunkt stehen – wenn auch deutlich vielfältigere als in konventionellen Medienangeboten7. Der Fokus bleibt meist auf dem Aussehen des Körpers, daher können Body Positivity-Beiträge ebenso wie konventionelle Inhalte die Selbst-Objektifzierung steigern8 und verstärken somit genau das, was sie zu überwinden versuchen. Nicht zuletzt bleibt kritisch anzumerken, dass der Trend von einigen Firmen und Influencer*innen auch zu Werbezwecken genutzt wird.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass bildgebundene Plattformen wie Instagram einen großen Einfluss auf das Körperbild der Nutzenden haben können. Soziale Vergleiche mit realitätsfernen, bearbeiteten Fotos können dabei zu Selbst-Objektifizierung und der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper beitragen. Gegenbewegungen wie Body Positivity haben dabei zum einen das Potenzial, durch gegenseitige soziale Unterstützung von Betroffenen die negativen Auswirkungen von Diskriminierung abzumildern, und zum anderen auch Körpernormen zu verändern und ein positives Körperbild zu fördern. Gleichermaßen besteht jedoch auch hierbei die Gefahr, dass der Fokus auf Äußerlichkeiten verbleibt.


Literatur
1Fredrickson, B. L., & Roberts, T.-A. (1997). Objectification Theory: Toward Understanding Women’s Lived Experiences and Mental Health Risks. Psychology of Women Quarterly, 21(2), 173-206. https://doi.org/10.1111/j.1471-6402.1997.tb00108.x

2z. B. Brown, Z., & Tiggemann, M. (2016). Attractive celebrity and peer images on Instagram: Effect on women’s mood and body image. Body Image, 19, 37-43. https://doi.org/10.1016/j.bodyim.2016.08.007

3Wiedicke, A.; Ech-chotbi, S. & Temmann, L. (2019). The Multiple Faces of #bodypositivity: Users' Reactions and Discourses on Instagram. Vortrag im Rahmen des International Symposium on Anti-Stigma Communication, Dortmund.

4Stehr, P. (2020). #bodypositivity zwischen eigener Betroffenheit, sozialer Unterstützung und Gesellschaftskritik – Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Instagramer*innen. In A. Kalch & A. Wagner (Hrsg.), Gesundheitskommunikation und Digitalisierung. Zwischen Lifestyle, Prävention und Krankheitsversorgung (S. 133-148). Baden-Baden: Nomos.

5Martschukat, J. (2019). Das Zeitalter der Fitness: Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde. S. Fischer. Strings, S. (2019). Fearing the Black Body: The Racial Origins of Fat Phobia. New York University Press.

6Mohamad, E., Ahmad, A. L., Mohamed Salleh, S. & Wan Sulaiman, U. K. (2017). Breaking The Traditional Communication Flow: Exploration of Social Media Opinion Leaders in Health. SHS Web of Conferences, 33, 44. https://doi.org/10.1051/shsconf/20173300044

7Cohen, R., Irwin, L., Newton-John, T., & Slater, A. (2019). #bodypositivity: A content analysis of body positive accounts on Instagram. Body Image, 29, 47-57. https://doi.org/10.1016/j.bodyim.2019.02.007

8Cohen, R., Fardouly, J., Newton-John, T., & Slater, A. (2019). #BoPo on Instagram: An experimental investigation of the effects of viewing body positive content on young women’s mood and body image. New Media & Society, 146144481982653. https://doi.org/10.1177/1461444819826530


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