Digitale Gewalt ist reale Gewalt

Warum Betroffene von Cybermobbing, Stalking oder Hass im Netz den Weg zur Polizei gehen sollten

Viktoria Jerke (Dipl.Germ.) Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes

Kriminalität im Internet kann jede und jeden treffen. Während Erscheinungsformen wie Phishing, Betrug beim Online-Shopping oder unerwünschte Spam-E-Mails zeitliche oder finanzielle Schäden verursachen, lassen sich die Folgen digitaler Gewalt kaum beziffern. Cybermobbing, Stalking, Grooming, aber auch Hassbotschaften sind Straftaten. Doch die Opfer digitaler Gewalt scheuen sich aus unterschiedlichen Gründen oft, polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei ist es entscheidend, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Denn damit haben Betroffene Rechte und Ansprüche auf bestimmte Hilfeleistungen.

Die Formen digitaler Gewalt sind vielfältig und betreffen junge und ältere Internetnutzer*innen in unterschiedlicher Ausprägung. Allen gemein ist jedoch, dass Betroffene von Internetkriminalität den gleichen Anspruch auf Hilfe haben wie jedes Opfer von Kriminalität. Oft ist es sinnvoll, sich durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen. Er vertritt die Interessen von Opfern vor Gericht. Allerdings ist meistens schon das erste Beratungsgespräch kostenpflichtig. Der Verein WEISSER RING bietet Opfern von Gewalt nach einer Anzeigenerstattung einen Beratungsscheck für das rechtsanwaltliche Erstgespräch an. Auch die Rechtsschutzversicherung kann die Kosten für einen Rechtsbeistand übernehmen. In manchen Fällen kann ein Gericht auf Antrag einen eigenen Opferanwalt für Betroffene bestellen. Opferanwält*innen vertreten die Interessen im Strafverfahren und vor Gericht – und wären dann für Betroffene kostenfrei. Zusätzlich kann auch eine psychosoziale Prozessbegleitung gewährt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Opferhilfeeinrichtungen, die Betroffenen in allen Belangen zur Verfügung stehen.

Trotzdem entscheiden sich nur wenige Betroffene von digitaler Gewalt dafür, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Oft überwiegt die Scham oder das Gefühl, dass nichts gegen die Täter unternommen werden kann. Dabei ist Kriminalität im Internet keine Seltenheit. Laut Digitalbarometer 2021 der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes sowie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik haben ein Viertel der Deutschen schon Erfahrungen mit Kriminalität im Netz gemacht. Die repräsentative Bevölkerungsbefragung zu Cybersicherheit zeigt, dass 15 Prozent der Befragten selbst von Cybermobbing und 13 Prozent von Cyberstalking betroffen waren.

Unter Cybermobbing versteht man das Beleidigen, Bloßstellen, Bedrohen oder Belästigen einer Person mithilfe von Kommunikationsmitteln wie Computer, Handy oder Smartphone über einen längeren Zeitraum. Wie der Begriff bereits nahelegt, wird Cybermobbing dabei als Übertragung traditioneller Formen des Mobbings in das Internet verstanden.

Cyberstalking ist das fortwährende Belästigen und Verfolgen im virtuellen Raum. Dabei kann es auch zu sexuellen Belästigungen kommen. Die Tathandlungen können für das Opfer weitreichende Folgen haben. Das Nachstellen und das „Aussuchen“ eines Opfers geschieht grundsätzlich im virtuellen Raum. Die Auswirkungen und der Umgang mit den Folgen sind wie z.B. beim Mobbing / Cyber-Mobbing, mit denen aus der realen Welt vergleichbar.

Hassrede (engl. Hate Speech) ist Gewalt, die über Sprache, Bilder und Worte in digitalen Medien verbreitet wird. Hass im Netz zielt auf ganze Gruppen, beleidigt, bedroht und verachtet Menschen beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung. Die Inhalte können unter anderem extremistisch, rassistisch, sexistisch, homophob, holocaustverleugnend oder gewaltverherrlichend sein. Hasserfüllte Äußerungen sind dann strafbar, wenn die Grenze der freien Meinungsäußerung überschritten und die Rechte anderer verletzt werden.

Cybergrooming bezeichnet die Kontaktaufnahme von Erwachsenen zu Kindern und Jugendlichen über das Internet zur Anbahnung von sexuellen Handlungen. Dabei werden die Kinder häufig dazu aufgefordert, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen oder es wird ihnen pornographisches Material präsentiert.

Bei der Frage nach der Reaktion auf eine widerfahrene Straftat wird deutlich: Die Art der Straftat spielt eine erhebliche Rolle für den gewählten Lösungsweg. Anzeige bei der Polizei wird beispielsweise besonders häufig in Betrugsfällen erstattet (37%), während bei Cybermobbing häufiger Rechtsbeistand (30%) oder Rat bei der Familie und Freunden (27%) gesucht wird.
(Weitere Ergebnisse des Digitalbarometers 2021 finden Sie unter: www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/gefahren-im-internet)

Diese Reaktion seitens der Opfer von digitalen Gewalttaten scheint nur verständlich. Im Netz fallen viele Schranken und die Grenzen zwischen freier Meinungsäußerung und einer strafbaren Aussage verwischen schnell in einer Kommentarflut. Auch die extreme emotionale Belastung (mit vielen teils schweren Auswirkungen auf den gesamten Alltag) aufgrund von Cybermobbing, Stalking oder Hassbotschaften machen es Betroffenen besonders schwer bis unmöglich, sich Hilfe zu suchen oder den Weg zur Polizei zu gehen. Trotzdem sollten Beleidigungen, Bedrohungen oder gar diskriminierende Äußerungen nicht hingenommen werden. Betroffene sind dem nicht hilflos ausgeliefert und sollten sich mit aller Kraft gegen Gewalt im Internet wehren.

Was können Opfer digitaler Gewalt tun?

  • Bei akuter Bedrohung wählen Sie 110!
  • Zeigen Sie die Straftat bei der Polizei an. Eine Strafanzeige können Sie bei jeder Polizeidienststelle erstatten.
  • Existierendes Datenmaterial – wie z. B. E-Mails, Chat-Verläufe in Messenger-Diensten, digitale Fotos oder Videos u. v. m. – sind wichtige Beweismittel, die Sie bis zum ersten Kontakt mit der Polizei bestenfalls komplett unverändert lassen.
  • Wenn Sie technisch versiert sind, können Sie diese Beweismittel auch abspeichern, ausdrucken oder z. B. via Screenshots sichern. Ist Ihnen dies nicht möglich, weil Sie der gesamte Tathergang zu sehr belastet, bitten Sie eine Person Ihres Vertrauens, diese Beweise für Sie zu sichern.
  • Bringen Sie das gesicherte Beweismaterial am besten gleich zur Anzeigenerstattung mit. Das ist wichtig für die weiteren Ermittlungen, um den Verlust von Spuren im Netz zu vermeiden.

Wie bei jeder Form von Kriminalität kommt es auch auf die Aufklärung über Opferrechte an. Die Polizei informiert auf ihrer Internetseite unter www.polizei-beratung.de ganz explizit Betroffene jeder Kriminalitätsform über Ansprüche und Rechte. Dazu gehören nicht nur Empfehlungen für den Ernstfall, sondern insbesondere auch Informationen über die Anzeigenerstattung, das Gerichtsverfahren oder die Ansprüche auf Hilfeleistungen. Durch diese Hinweise sollen alle Betroffenen von Straftaten darüber aufgeklärt werden, wie sie auf ihnen widerfahrende Straftaten konsequent reagieren können. Dies ist insbesondere für Opfer von digitaler Gewalt eine wichtige Informationsquelle.

Informationen für Opfer von Straftaten: www.polizei-beratung.de/opferinformationen/opferrechte

Hilfe bei Hate Speech und Hassbotschaften: www.zivile-helden.de

Informationen der Polizei für junge Menschen: www.polizeifürdich.de

Kontakt
Viktoria Jerke (Dipl.Germ.)
Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes
E-Mail: info@polizei-beratung.de