Digitaler Stress – Ursachen, Auswirkungen & Lösungsstrategien

Julia Lanzl, Projekt PräDiTec, Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement, Universität Augsburg, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT

Manfred Schoch, Bayerischer Forschungsverbund ForDigitHealth, Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement, Universität Augsburg, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT

Digitale Technologien haben einen wichtigen Platz in unserem Alltag eingenommen und bringen viele positive Seiten mit sich. Sie helfen uns, trotz geographischer Distanz, verbunden zu bleiben, ermöglichen die Automatisierung von Aufgaben und unterstützen uns dabei, in der täglichen Arbeit produktiver zu werden. Die intensivere Nutzung digitaler Technologien und Medien und die damit verbundenen erhöhten digitalen Anforderungen können allerdings auch negative Seiten haben. Übermäßige Nutzung, insbesondere gepaart mit dem Fehlen von entsprechenden Fähigkeiten und sozialer Unterstützung, kann zu psychischer Belastung und in der Folge zu digitalem Stress führen.

Insbesondere die COVID-19-Pandemie zwingt aktuell viele Menschen dazu, im Homeoffice zu arbeiten und damit verstärkt digitale Technologien einzusetzen. Zum Beispiel werden Meetings über Online-Plattformen, wie Microsoft Teams oder Zoom, abgehalten, oder kurze Abstimmungen per Instant Messaging, wie WhatsApp oder Slack, durchgeführt.

Es gibt eine Vielzahl an psychischen Belastungsfaktoren, welche im Zuge der digitalen Arbeit auftreten. Mit der Erforschung dieser Belastungsfaktoren, deren Entstehung, aber auch deren Prävention und Bewältigung beschäftigen sich der vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte Forschungsverbund ForDigitHealth (Gesunder Umgang mit digitalen Technologien und Medien) und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt PräDiTec (Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien). In diesem Blogbeitrag werden einige der Erkenntnisse aus den Projekten vorgestellt.

Wodurch wird digitaler Stress verursacht? Welche Belastungsfaktoren gibt es?

Im Rahmen der Studie „Gesund digital arbeiten?!“ wurde eine quantitative Onlineumfrage von 5.005 Beschäftigten in Deutschland durchgeführt. Die Befragten waren zwischen 18 und 67 Jahren alt. Dabei wurde der Fokus auf Wissensarbeit – also Arbeit die überwiegend aus Tätigkeiten mit Informationen als Rohstoff, Werkzeug und Ergebnis und nicht aus manuellen Tätigkeiten, wie beispielsweise in der Produktion, besteht – gelegt. Mehr als zwei Drittel der Befragten arbeiten in diesem Bereich. In der Studie wurden zwölf verschiedene digitale Belastungsfaktoren ausgemacht. Die Faktoren Leistungsüberwachung, Gläserne Person und Unzuverlässigkeit waren dabei die Hauptursachen für digitalen Stress. Leistungsüberwachung beschreibt das Gefühl, dass durch die Nutzung von digitalen Technologien und Medien Leistungsüberwachung und -bewertung zunehmen. In eine ähnliche Richtung geht der Faktor Gläserne Person, welcher die gefühlte Verletzung der Privatsphäre durch digitale Technologien und Medien meint. Die Unzuverlässigkeit hingegen bezieht sich auf das Gefühl, dass digitale Technologien und Medien unzuverlässig sind und daher nicht ihrer Aufgabe gerecht werden.

Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit – im Uhrzeigersinn absteigend sortiert nach Intensität der wahrgenommenen Belastung der Befragten
Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit – im Uhrzeigersinn absteigend sortiert nach Intensität der wahrgenommenen Belastung der Befragten

Details zu allen Belastungsfaktoren finden sich in einer Infographik und der Broschüre „Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit“ auf der Seite des Projekts PräDiTec. Ausführliche Erläuterungen und Beispiele wurden in einer Twitter-Reihe des Projekts ForDigitHealth zusammengestellt.

Wie hoch ist der digitale Stress? Was beeinflusst ihn?

Branche und Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes können digitalen Stress beeinflussen. Die durchschnittliche digitale Belastung der digitalen Arbeit wird demnach in Branchen wie Information und Kommunikation deutlich größer wahrgenommen als in weniger digitalisierten Branchen, wie beispielsweise dem Baugewerbe. In Bezug auf den Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes konnte zudem folgender Zusammenhang festgestellt werden:

Die Intensität der Belastungsfaktoren ist am höchsten, wenn Personen viele Technologien nur wenig nutzen. Niedrig ist er dagegen, wenn Beschäftigte wenige Technologien intensiv nutzen und so beispielsweise Erfahrung im Umgang mit den Technologien sammeln können.
Verteilung der digitalen Belastung nach Häufigkeit und Anzahl der genutzten Technologien
Verteilung der digitalen Belastung nach Häufigkeit und Anzahl der genutzten Technologien

Weitere Rahmenbedingungen, die mit stärkerem digitalem Stress einhergehen, sind zum Beispiel eine autonome Technologieauswahl. Andere Forschungsergebnisse zeigen, dass diese nicht per se schlecht ist, aber die Nutzer*innen dazu ein gewisses Know-how mitbringen müssen. Dagegen werden die Belastungsfaktoren bei einer bürokratischen Unternehmenskultur und einer guten Beziehungsqualität zu Vorgesetzten weniger stark wahrgenommen.

Rahmenbedingungen, die mit hohem / niedrigem digitalen Stress einhergehen
Rahmenbedingungen, die mit hohem / niedrigem digitalen Stress einhergehen

Während der COVID-19-Pandemie hat sich die Intensität einiger Belastungsfaktoren und Rahmenbedingungen geändert.

Zunehmende digitale Arbeit im Homeoffice trägt unter anderem dazu bei, dass sich die Arbeitszeit stärker über den Tag verteilt und dadurch einen immer größeren Zeitraum an einem Tag einnimmt.

Das liegt vor allem an der stärkeren Vermischung von Arbeits- und Privatleben, wie beispielsweise bei der Betreuung der Kinder in der Arbeitszeit, die die Nutzung von digitalen Technologien und Medien ermöglicht. Ein anderes Beispiel für solche Entgrenzungen ist die räumliche Vermischung von Arbeitsplatz und Erholungsort, wie sie zum Beispiel durch den im Wohnzimmer stehenden Computer zustande kommen kann.

Wie wirkt sich digitaler Stress auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit aus?

Digitaler Stress geht mit verschiedenen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, wie beispielsweise einer stärkeren emotionalen Erschöpfung oder physischen Erkrankungen (zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Erkrankungen des Verdauungssystems) einher. Außerdem wurden bei den Befragten mit hohem digitalem Stress die Arbeitsfähigkeit, Produktivität und die Arbeitszufriedenheit geringer und die Absicht den Job zu wechseln oder sogar den Beruf ganz aufzugeben stärker bewertet.

Mögliche Auswirkungen, die mit digitalem Stress einhergehen
Mögliche Auswirkungen, die mit digitalem Stress einhergehen

Bei all diesen möglichen Auswirkungen von digitalem Stress ist allerdings zu betonen, dass in der Studie Korrelationen gemessen wurden, die alleinstehend nicht auf einen ursächlichen Zusammenhang schließen lassen.

Welche Lösungsstrategien gibt es im Umgang mit digitalem Stress?

Die gute Nachricht: Es gibt eine Reihe an Lösungsstrategien zum Umgang mit digitalem Stress. Die Lösungsstrategien lassen sich dabei in zwei Bereiche aufgliedern. Zum einen Bewältigungsmaßnahmen, die Arbeitnehmende selbst angehen können und zum anderen Präventionsmaßnahmen, die Arbeitgebende durchführen können.

Bewältigungsmaßnahmen bezeichnen die Art des Umgangs mit einem als schwierig empfundenen Lebensereignis – wie zum Beispiel den Umgang mit digitalen Technologien und Medien. Hier gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Nutzer*innen umsetzen können. Diese reichen von der Problemlösung, über eine bewusste positive Umdeutung der Situation bis hin zu emotionsorientierten Strategien. Zu den problemorientierten Strategien gehört zum Beispiel, sich einen Plan zu erstellen, um das identifizierte Problem anzugehen, oder das Nutzungsverhalten anzupassen – beispielsweise durch das Abschalten von Benachrichtigungen oder die bewusste Trennung von privaten und beruflichen digitalen Technologien. Zu emotionsorientierten Strategien gehören zum Beispiel dieDistanzierung von digitalen Technologien oder regelmäßige Pausen einzubauen. Weiter ist es wichtig, offen über Probleme zu sprechen und diese direkt zu kommunizieren. Tipps zur Stressbewältigung hat das Projekt ForDigitHealth in einer Twitter-Reihe im Rahmen einer Adventskalenderaktion zusammengestellt.

Unter Präventionsmaßnahmen werden im Zusammenhang mit digitalem Stress Maßnahmen verstanden, welche die negativen Folgen und Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit reduzieren oder sogar eliminieren. Präventionsmaßnahmen können dabei auf drei Ebenen ansetzen: auf der technologischen Ebene (zum Beispiel durch das zur Verfügungstellen einer adäquaten IT-Landschaft), der organisatorischen Ebene (zum Beispiel durch Teamnormen für die Nutzung von digitalen Technologien und Medien) und der individuellen Ebene (zum Beispiel durch die Stärkung von individuellen Ressourcen anhand von Schulungen zu digitalen Technologien und Medien).

Abschließend ist zu sagen, dass die Awareness für das Thema digitaler Stress sowohl bei Arbeitnehmenden als auch bei Arbeitgeber*innen ein wichtiger Schritt ist. Zwar gibt es diverse Faktoren, die zu digitalem Stress beitragen, aber auch viele Ansatzpunkte, um digitalen Stress zu reduzieren. Falls Sie sich persönlich oder Ihr Unternehmen für digitalen Stress und dessen Prävention und Bewältigung interessieren, kontaktieren Sie uns gerne.


Kontakt
Julia Lanzl
Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement, Universität Augsburg, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT
E-Mail: julia.lanzl@fim-rc.de

Manfred Schoch
Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement, Universität Augsburg, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT
E-Mail: manfred.schoch@fim-rc.de