eHealth – was ist das überhaupt? Ganz grundlegend geht es darum, Computer- und Internet-Technologien in der Gesundheitsversorgung einzusetzen. Das können Videosprechstunden für Patient:innen sein, Gesundheitsapps auf dem Smartphone oder eine digitale Pflegeakte - die Bandbreite von eHealth-Anwendungen ist sehr groß. Aktuell erleben wir, wie künstliche Intelligenz (KI) diese Einsatzfelder erweitert und enorme Potenziale für die Zukunft erkennen lässt.
Montags morgens nach der Visite: die Stationsärztin hat sich mit den Patientenakten ins Arztzimmer zurückgezogen, um Befunde zu sichten, Medikamente anzuordnen und Entlassungsbriefe zu schreiben. Die Pflegefachkräfte werden langsam ungeduldig - sie brauchen die Akten ebenfalls, um ihre Tätigkeiten zu dokumentieren. Dieses Szenario dürfte in vielen deutschen Kliniken mittlerweile der Vergangenheit angehören. Immer mehr werden die Papierakten abgelöst von elektronischer Dokumentation, die neben der erleichterten Zugänglichkeit der Informationen für das medizinische Personal noch weitere Vorteile bietet, zum Beispiel die verbesserte Lesbarkeit der Einträge sowie Warn- und Erinnerungsfunktionen bei Unverträglichkeiten oder kritischen Werten.
Wo spielt eHealth eine Rolle?
Beim Austausch von Patienteninformationen zwischen verschiedenen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung hapert es in Deutschland jedoch noch mit der Digitalisierung. Ärzt:innen müssen Vorbefunde mühsam bei verschiedenen Behandler:innen anfordern – oft kommt da noch das Fax-Gerät zum Einsatz. Abhilfe schaffen soll die elektronische Patientenakte (ePA), die alle wichtigen Dokumente der Krankengeschichte sammelt und Ärzt:innen und Apotheker:innen mit Zustimmung der Patient:innen Zugriff gewährt. Noch wird die ePA kaum genutzt, das soll sich aber zum Jahreswechsel 2025 ändern. Dann erhalten alle gesetzlich Krankenversicherten eine ePA, außer sie widersprechen.
KI unterstützt Ärzt:innen bei der Diagnose, indem sie medizinische Bilder analysiert und Anomalien schneller erkennt. Personalisiertes Gesundheitsmanagement wird durch KI-gestützte Behandlungspläne und kontinuierliche Patient:innennüberwachung beispielsweise mittels Wearables – das sind kleine Computersysteme, die direkt am Körper getragen werden – optimiert. So ist es bereits möglich, Herzfrequenz, Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Schlaf und Kalorienverbrauch zu messen und die Ergebnisse anschließend von Gesundheits-Apps analysieren zu lassen. Gesundheits-Apps helfen Patient:innn, ihre Gesundheit selbstständig zu verwalten, von Medikamentenerinnerungen bis hin zu Fitness-Tracking. Insgesamt steigern diese Technologien die Effizienz, Qualität und Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung in Deutschland erheblich.
Den Vorsprung anderer Länder einholen
Andere europäische Länder setzen eHealth in der Gesundheitsversorgung in größerem Umfang ein. In Dänemark erhalten alle Bürger:innen in einem Gesundheitsportal eine Übersicht über ihre Arztbesuche, Medikamente, Impfungen, Befunde und die elektronische Akte bei Krankenhausaufenthalten. Videosprechstunden gehören dort ergänzend zu persönlichen Kontakten in der Gesundheitsversorgung zum Alltag. In Estland ist das Gesundheitssystem im Ländervergleich besonders digital ausgerichtet. Für Deutschland bietet sich die Chance, von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen.
Digitalisierung verantwortungsvoll gestalten
eHealth eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung. Patient:innen profitieren von der besseren Verfügbarkeit von Informationen für Diagnostik und Behandlung und einer optimierten Vernetzung der Gesundheitsfachkräfte sowie niederschwelligen digitalen Angeboten wie beispielsweise Gesundheitsapps. Künstliche Intelligenz trägt heute schon zu Fortschritten in der Versorgung und in der Forschung bei und wird in Zukunft wahrscheinlich noch viel mehr Möglichkeiten mit sich bringen. Um das Vertrauen der Bürger:innen, der Patient:innen und der Fachkräfte zu erhalten, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den neuen Technologien entscheidend. Datenschutz, ethische und soziale Aspekte müssen bei der Entwicklung und dem Einsatz von eHealth-Anwendungen eine wichtige Rolle spielen. Die technischen Systeme müssen verlässlich, transparent und sicher sein. Das medizinische Personal soll durch eHealth unterstützt, aber nicht ersetzt werden.
Ausbildung der eHealth-Expert:innen von Morgen
Für die digitale Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitswesens braucht es eHealth-Expert:innen, die ein vertieftes Verständnis für die Gesundheitsversorgung mitbringen und sowohl die Sichtweise von IT-Spezialisten:innen als auch von Fachkräften der Gesundheitsberufe kennen. Der eHealth-Masterstudiengang an der Hochschule Flensburg bildet sie aus. Das Studienprogramm ist fachübergreifend ausgerichtet, zwischen technischen und medizinischen Grundlagen, künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen sowie Management und Gesundheitsökonomie. Praxiseinblicke gibt es sehr viele durch Exkursionen und Gastvorträge sowie ein Projektsemester in einem eHealth-Unternehmen beziehungsweise einer Gesundheitseinrichtung.
Was wird die Zukunft bringen?
Die Zukunft von KI und eHealth in Deutschland verspricht eine Neuausrichtung des Gesundheitswesens. Künstliche Intelligenz wird eine zentrale Rolle in der Diagnose und personalisierten Behandlung übernehmen, indem sie Muster in großen Datenmengen erkennt und Ärzt:innen bei der präziseren medizinischen Entscheidungsfindung unterstützt. Der flächendeckende Ausbau der Telemedizin wird den Zugang zur medizinischen Versorgung, besonders in ländlichen Gebieten, erheblich verbessern. Ebenso werden Fortschritte bei Wearables und smarten Geräten eine kontinuierliche und genaue Überwachung von Gesundheitsdaten erlauben. Von besonderer Bedeutung ist die Usability der eHealth-Anwendungen. So werden zum Beispiel elektronische Gesundheitsakten benutzerfreundlicher und umfassender, was den effizienten Austausch von Patient:innendaten fördert. Zudem werden die Gesundheits-Apps weiterentwickelt, um Patient:innen aktiv in ihre Gesundheitsversorgung einzubeziehen und die Mitwirkung der Patient:innen – das sog. „Patient Empowerment“ – zu verbessern, was vor allem bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen sehr wichtig ist. Insgesamt werden KI und eHealth die Qualität und Effizienz des deutschen Gesundheitssystems steigern und eine patient:innenzentriertere Versorgung ermöglichen.
Kontakt
Prof. Dr. Bosco Lehr
Leiter Institut für eHealth und Management im Gesundheitswesen (IEMG)
Hochschule Flensburg
lehr@hs-flensburg.de
www.institut-ehealth.de